Politiker im Wahlkampf: Auswertung der Berichterstattung zur Bundestagswahl
Für PolitikerInnen sind Erwähnungen im Wahlkampf sehr wichtig. Insbesondere das Auftauchen in Überschriften ist von großer Bedeutung, da diese Form der PR besonders günstig und effektiv ist. Als eher unbekannter Politiker kann man sich damit schnell im Volk bekannt machen. Aber auch als Politiker, dessen Name schon sehr bekannt ist, bieten sich Vorteile, da das eigene Markenbild gestärkt wird und die eigene Person ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Insbesondere in den letzten Wahlkämpfen hat sich gezeigt, dass gute SpitzenkandidatInnen ein Zugpferd für den Erfolg eines Wahlkampfs sind.
Aber wie gehen News-Publisher online mit der damit einhergehenden Verantwortung um? Welche SpitzenkandidatInnen werden am häufigsten in Überschriften erwähnt und welche am wenigsten? Und wie groß sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Publishern? Die Bundestagswahl ist zwar schon seit über einem halben Jahr vorbei, die Ergebnisse unserer Untersuchung sind dennoch relevant und liefern interessante Einblicke.
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Der Name Laschet wurde in unserem Datensample (letzte vier Wochen vor dem Wahltag) am häufigsten erwähnt, gefolgt vom Wahlsieger Olaf Scholz und der Spitzenkandidatin der Grünen Annalena Baerbock. Abgeschlagen folgen Christian Lindner und jeweils die Duos der AfD und Linken. Die Umfragen haben in den letzten vier Wochen vor der Bundestagswahl die Grünen mit 15% bis 17% bereits auf dem dritten Platz gesehen, während die SPD relativ genau vier Wochen vor der Wahl an der CDU/CSU vorbeigezogen ist. In den letzten Umfragen vor dem Wahlsonntag lag die CDU bei ca. 22% und die SPD bei 25% bis 26%. Die FDP und die AfD pendelten in den vier Wochen zwischen 10% und 12 % und die Linke wurde in den Umfragen konstant bei ca. 6% gesehen.
Es lässt sich dementsprechend feststellen, dass Laschet und Scholz überproportional häufig im Vergleich zum Wahlergebnis genannt werden. Es gab eine gewisse Überspitzung auf die beiden Spitzenkandidaten der ehemaligen Volksparteien. Lediglich der Anteil Baerbocks an den namentlichen Nennungen in den Überschriften entspricht ungefähr der Stimmenanzahl beim Wahlergebnis.
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Die drei SpitzenkandidatInnen der drei kleineren Parteien werden hingegen sehr selten erwähnt, insbesondere die Duos der Linken und der AfD haben kaum eine Rolle gespielt. Dabei spielt natürlich auch die PR-Arbeit der Parteien eine Rolle. Die KandidatInnen sind teilweise weniger bekannt gewesen, zum Beispiel da sie keine Ministerämter besetzt haben. Publisher haben deshalb weniger Interesse an der Nennung der KandidatInnen in der Überschrift, da sie befürchten müssen, nur wenig Aufmerksamkeit und Klicks für ihren Artikel zu erhalten. Denn neben dem journalistischen Anspruch spielen die wirtschaftlichen Gegebenheiten und Geschäftsstrategien natürlich eine Rolle. Die Parteien hätten daher im Vorfeld ihre KandidatInnen besser präsentieren und durch verstärkte PR-Maßnahmen die Personen und die Inhalte für die sie stehen, als Marke aufbauen müssen.
Welche Unterschiede ergeben sich zwischen den einzelnen Publishern?
Schauen wir uns die einzelnen Publisher näher an. Zuerst die beiden analysierten öffentlich-rechtlichen Nachrichtenseiten.
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Dabei fällt auf, dass bei der Startseite der tagesschau insgesamt deutlich seltener die Namen der SpitzenkandidatInnen in der Überschrift genannt werden. Nur 48 Artikel hatten eine Namensnennung in der Überschrift. Auch die 80 Überschriften bei BR24 sind relativ wenig. Möglicherweise möchten sich die öffentlich-rechtlichen Angebote weniger an einem Personenwahlkampf beteiligen. Dadurch geraten die Inhalte der Parteien nämlich in den Hintergrund und es findet eine Zuspitzung auf einzelne Personen statt. Eine solche Zuspitzung des Wahlkampf lediglich auf die beteiligten Personen ist kritisch zu sehen. Möglicherweise hat diese Haltung der Redaktion zu entsprechend wenigen Namensnennungen in der Überschrift geführt.
Inwiefern sich eine Zuspitzung auf Personen im Wahlkampf auf Visits, also LeserInnen der Inhalte, umrechnet, ist nicht eindeutig zu klären. Der BR hatte im September 2021 rund 10% weniger Visits im Vergleich zum Vormonat, die tagesschau ungefähr 5% weniger. Entgegen des allgemeinen Trends im September 2021 konnte Zeit Online rund 5% mehr Visits verzeichnen. Allerdings hat auch dieser Publisher in den Überschriften verhältnismäßig wenig die Namen der SpitzenkandidatInnen verwendet. Insgesamt zeigt sich aber auch bei der Zeit die gleiche Verteilung bei den Namensnennungen.
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Bei der FAZ zeigt sich hingegen eine andere Verteilung. Dort liegt Scholz mit 10 Nennungen mehr vor Laschet auf Platz eins. Auch Lindner wird bei den Frankfurtern verhältnismäßig häufig in Überschriften genannt. Ein Name aus dem Duo der Linken wird hingegen gar nicht genannt.
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Beim Spiegel und bei t-online waren die Namensnennungen wie im gesamten Trend. Auffällig ist, dass t-online mit Abstand am häufigsten die Namen der KandidatInnen in der Überschrift nennt. Alleine Laschet wurde 140 mal erwähnt.
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Spiegel und t-online haben am häufigsten Namen in den Überschriften genannt. Bei t-online ist außerdem zu beobachten, dass die Überschriften eines Artikels häufig geändert werden. Beispielsweise dieser Artikel mit Video hatte drei verschiedene Überschriften. Der Name Baerbocks im Zitat des Experten wurde dabei stets verwendet. Durch das häufige Wechseln der Überschriften werden verschiedene Ansätze ausprobiert, welche Überschrift bei den LeserInnen die meiste Aufmerksamkeit erzeugt.
Zahlen sich die verschiedenen Ansätze der Publisher denn aus?
Spiegel und t-online, die am häufigsten in den Überschriften Namen erwähnt haben, haben gleichzeitig prozentual die geringsten Verluste bei den Visits verzeichnen können. Zeit Online hingegen, die relativ selten Namen in den Überschriften hatten, konnte sogar Visits im Monatsvergleich dazugewinnen. Der größte prozentuale Verlierer der Betrachtung ist die FAZ. Dort ist auffällig, dass sie als einzige Redaktion den Namen des SPD-Kanzlerkandidaten und späteren Wahlsiegers am häufigsten genannt haben. Möglicherweise ist Scholz, der als unauffälliger und ‘langweilig’ wirkender Kandidat galt, kein Zugpferd für LeserInnen gewesen.
Natürlich ist diese Analyse verkürzt und der Zugewinn an LeserInnen nicht monokausal mit der Nennung von PolitikerInnen verbunden. Zusammen mit den internen Daten der Redaktionen können allerdings wertvolle Erkenntnisgewinne entstehen und die redaktionellen Prozesse überarbeitet werden.
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Insgesamt zeigt sich, dass das häufige Auftauchen des Namens der SpitzenkandatInnen nicht automatisch zu einem Wahlerfolg führt. Dennoch konnte Laschet in den letzten Tagen vor der Wahl nochmal einige Anhänger mobilisieren, sodass der Wahlsieg von Scholz knapper als in den letzten Umfragen ausgefallen ist. Dabei haben sich nicht alle Publisher gleichermaßen am “Name-Dropping” beteiligt. Auffällig ist, dass die KandidatInnen der kleineren Parteien eine so untergeordnete Rolle gespielt haben und es kaum Nennungen ihrer Namen gab.
Methodik:
Die in diesem Report verwendeten Daten stammen aus den letzten vier Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September 2021. Der Wahlsonntag ist nicht enthalten, da der Wahlsieger möglicherweise überproportional in den Daten auftauchen würde. Ausgewertet wurden jeweils die Überschriften der obersten 20 Artikel auf den Startseiten von sechs online Publishern. Die Daten wurden nach den Nachnamen durchsucht. Bei den Duos der AfD und der Linken wurde nach jeweils beiden Namen einzeln gesucht.
Die sechs analysierten Publisher haben wir bewusst gewählt. Mit dabei sind Tagesschau.de als öffentlich-rechtlicher Publisher mit nationaler Bedeutung und BR24, ein erfolgreiches regionales Nachrichtenangebot des ÖRR. t-online.de ist als Vertreter des Boulevards dabei. Hinzu kommen Spiegel.de, Zeit.de und FAZ.de, die aufgrund ihres sozial-liberalen bzw. konservativen Rufs ausgewählt wurden.
Über diesen Artikel
Geschrieben von Stefan Paulus
Publiziert am: 4/20/2022, 7:00:00 AM
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